Digitale Kompetenz in Italien weit unter EU-Schnitt - fruchtbares Terrain für Betrüger
Das Coronavirus hat von vielen Menschen Dinge abverlangt, mit denen sie sich bis dato nicht auseinandersetzen mussten. Einige fanden sich plötzlich 24/7 in einem Raum mit Partner und womöglich Kindern wieder. Andere mussten ihre Arbeit gezwungenermaßen komplett auf Eis legen und auf Geld der Lohnausgleichskassen warten.
Andere wiederum konnten arbeiten oder mussten via Fernunterricht am Unterricht teilnehmen. Die Digitalisierung und ihre Begleiterscheinungen hat viele Menschen, die bisher wenig mit schnellem Datenverkehr, virtuellen Meetings oder Cloud-Speichern am Hut hatten, von einem Tag auf den anderen mit der Realität der Gegenwart konfrontiert und sie einer komplett neuen Arbeitsweise ausgesetzt.
Digitale Kompetenz auch bei Jüngeren nicht ausreichend
Nun will man meinen, dass das kein Problem darstellen sollte. Immerhin begleitet uns die Digitalisierung seit Jahren auf Schritt und Tritt. E-Commerce ist für viele Menschen der bevorzugte Kanal zum Einkaufen geworden. Streamingdienste schießen aus allen Fugen und berieseln uns mit einem Overkill an Serien und Filmen. Und zu guter Letzt die mittlerweile schon betagten sozialen Medien, die in den 00er-Jahren den Startschuss für eine digitale Abhängigkeit gegeben haben, die nun gefühlt Tag für Tag immer stärker wird.
Doch wer meint, dass dieses allgegenwärtige Phänomen mittlerweile jedes Glied unserer Gesellschaft erreicht hat, der täuscht sich. Gerade bezüglich digitaler Kompetenzen sieht es in Italien nicht gut aus, überraschenderweise auch bei Altersgruppen, von denen man sich ein umfassendes Wissen im Umgang mit PC, Internet und Co. erwartet.
Laut einer Studie des statistischen Amtes der Europäischen Union Eurostat aus dem Jahr 2019 schneidet Italien in Sachen digitale Kompetenz bei jungen Menschen erstaunlich miserabel ab. Miserabel mag auf den ersten Blick als ein allzu hartes Urteil erscheinen, doch lassen wir die Daten sprechen.
Italien bei den Schlusslichtern
Auf EU-Ebene weisen im Schnitt vier von fünf jungen Menschen zwischen 16-24 Jahren eine grundlegende oder fortgeschrittene digitale Kompetenz auf. Eine Quote von 80 %, die sich sehen lassen kann. Nun unterscheiden sich diese Daten, heruntergebrochen auf die verschiedenen Mitgliedstaaten, jedoch immens. Die Spitze bilden nämlich Staaten wie Kroatien, Estland, Litauen, die Niederlande und Griechenland, alle mit einer Quote von über 90 % – Kroatien weist sogar 97 % auf.
Und wo liegt Italien? Abgeschlagen auf den letzten Plätzen. Mit einer durchschnittlichen digitalen Kompetenz bei der angegebenen Altersgruppe von 65 % liegt man nur vor Rumänien (56 %) und Bulgarien (58 %). Einzig noch Ungarn knackt die 70 %-Marke (68 %) nicht ganz, alle nachfolgenden Staaten können mindestens 75 % aufweisen.
Bedenkt man nun, dass der EU-Schnitt bei Menschen zwischen 16 und 74 Jahren bei gerade einmal 56 % liegt, bedarf es keine großen Rechenkünste, um abzuschätzen, dass es auch in dieser Altersgruppe in Italien sehr mau aussieht. Dies birgt einige Probleme, von denen zwar besonders ältere Bürger betroffen sind, aber auch die junge Generation nicht gefeit ist.
Der Mangel an Wissen rund um Online-Transaktionen, digitale Prozesse und Datenschutz kann nicht nur am Arbeitsmarkt einen schwerwiegenden Makel darstellen, sondern auch im Privatleben Probleme bereiten, zumal es sehr teuer werden kann.
“Das wird schon gut gehen”
Gerade bei Onlinekäufen häufen sich laut Europäischem Verbraucherzentrum die Probleme. „Die Menschen tendieren dazu, bei Onlineangeboten unachtsam zu werden. Aus irgendeinem Grund vertrauen sie Onlineangeboten mehr und folgen dem Leitsatz ‚Das wird schon gut gehen‘“, erklärt Monika Nardo, Leiterin des Europäischen Verbraucherzentrums in Bozen.
Demnach seien die älteren Generationen besonders bei vermeintlichen Online-Gewinnspielen betroffen, aber auch Autokäufe und Investitionsbetrug stehen auf der Tagesordnung. Zudem seien Jugendliche sehr anfällig für Tricksereien im Netz, wobei es bei ihnen besonders Abofallen sind, die ihnen bzw. dem Geldbeutel ihrer Eltern zum Verhängnis werden.
Misstrauen gegen Staat höher
Was auffällt – und was wir schon von Google, Facebook und Konsorten kennen, aber nicht nur – geben die Menschen im Netz sorglos ihre Daten frei: Adressen, Namen, Kreditkartennummern. Bei privaten Anbietern, mögen sie dem geschulten Auge noch so verdächtig erscheinen, lösen sich die Menschen von ihren Sorgen und geben ihre Daten weiter, natürlich immer mit der Voraussicht, daraus einen Vorteil zu ziehen.
Umso erstaunlicher eingedenk dessen, dass der Aufschrei bei der App Immuni bezüglich Datenschutz so groß war, dass die App nach wie vor einen schweren Stand bei der Bevölkerung hat. Man fürchtet eine Institution wie den Staat offenbar mehr als Fremde, die aus dem Nichts zu unseren E-Mail-Adressen gelangen.
So schützt man sich vor Betrügereien
Doch wie können diese Probleme ausgemerzt werden? Um das Problem an der Wurzel zu packen, müsste wahrscheinlich italienweit der Lehrplan überdacht werden. Die digitale Kompetenz ist in den Schulen nach wie vor nur eine Randnotiz, obwohl sie mittlerweile wie Mathematik, Lesen und Schreiben zu einem integralen Bestandteil der Grundkompetenzen unserer Gesellschaft gehören sollte.
Hat man aber gerade nicht die Möglichkeit, das Bildungssystem eines ganzen Staates umzukrempeln, kann man sich auch anderwärtig weiterhelfen. Besonders, um Betrug im Netz aus dem Weg zu gehen. „Man sollte versuchen, mehr Misstrauen bei Online-Kaufangeboten an den Tag zu legen. Manchmal hilft es auch, wenn man sich bestimmte Tatsachen vor Augen hält und sich zum Beispiel die Fragen stellt. Kennt man tatsächlich jemanden, der online ein Auto gekauft hat, es zwei Wochen testen konnte und es dann einfach zurückschicken konnte? Im Grunde reicht manchmal nur, nicht zu voreilig zu handeln und sich nicht zu sehr begeistern zu lassen“, führt Nardo weiter aus.
Außerdem kann mit Blick auf die E-Mail-Adresse des Absenders festgestellt werden, ob es sich um einen seriösen Anbieter handelt oder nicht, gerade bei Phishingmails. Zudem weisen diese E-Mails oftmals sprachliche Fehler auf, die sie schnell entlarven.